Die Macherinnen von «The Substance»: Regisseurin Coralie Fargeat, Demi Moore und Margaret Qualley (von links). (Quelle: Jennifer McCord, LA Times)

Sie kritisieren den Schönheitswahn im Showbusiness

In den Kinos läuft zurzeit der Horrorfilm «The Substance». Er zeigt, wie eine alternde Frau gegen das Abgehängtwerden kämpft, indem sie sich ein junges Double verschafft.

Elizabeth Sparkle (Demi Moore) war einmal ein Star. Sie hat einen Stern auf dem Walk of Fame in Los Angeles. Wir sehen ihn in den ersten Einstellungen des Films «The Substance» von oben. Was sich nun auf ihm abspielt, skizziert, was seither im Leben von Elizabeth vorgefallen ist und wie sich die Gesellschaft verändert hat: Die Zeit vergeht, der Stern bröckelt, Menschen eilen achtlos über ihn hinweg, man hört sie reden, sie haben Geldsorgen.

Schnitt zu Elizabeth selbst, nunmehr 50 und Tänzerin am Frühstücksfernsehen. Wir sehen sie bei der Arbeit und fragen uns: Warum hat sie nicht längst eine Beschäftigung gefunden, bei der die Kameras ihr nicht so aufdringlich zwischen die Beine zielen?  Der Film der französischen Regisseurin Coralie Fargeat ist für ein breites Publikum gemacht. Er kritisiert zwar die bekannten, frauenfeindlichen Mechanismen des Showgeschäfts, aber er verwendet auch hemmungslos dessen filmische Mittel. So kommt in «The Substance» die Feministin auf ihre Rechnung, während ihr Begleiter den Anblick zuckender, weiblicher Kurven geniesst. Man kann das mögen oder nicht – es funktionert. Der Film gehört momentan zu den zehn meistgesehenen der Schweiz.

Doppelgängerinnen – oder auch Mutter und Tochter
Elizabeths Boss (Dennis Quaid) ist die Karikatur eines chauvinistischen Fernsehproduzenten. Gleich wird er sie feuern, sie ist ihm zu alt. Sie geht nach Hause, und wir sehen: Sie hat eine Wohnung mit Aussicht, aber keine Freundinnen, keinen Partner, keine Familie. Und nun auch keinen Ruhm mehr. Die Rechnungen kommen trotzdem.

Ein geheimnisvolles Serum verspricht Rettung: Nach der Injektion entsteigt dem Körper von Elizabeth ein strahlend junges Double – Sue (Margaret Qualley). Der Moment ähnelt einer Geburt, und überhaupt wirken die beiden Frauen oft weniger wie Doppelgängerinnen als wie Mutter und Tochter. «Ihr seid eins», mahnt die Gebrauchsanweisung zum Serum, und das geht so: Die eine ist bewusstlos, die andere ist wach und versorgt die Schlafende mit Nahrungslösung, nach sieben Tagen müssen sie sich abwechseln, sonst passiert Verstörendes.

Sue ist hinreissend und sehr sexy und macht Furore im früheren Job von Elizabeth. Aber jedes Mal, wenn der Chef sie anmacht und sie dieses dümmliche Lächeln aufsetzt, fragen wir uns: Warum spielt sie dieses widerliche Spiel überhaupt mit? Sie muss doch wissen, wie destruktiv es ist. Warum planen die beiden Frauen nicht gemeinsam den Ausbruch? Der Grund ist: Auch Sue liebt den Ruhm und will Elizabeth aus dem Weg haben. Die Frauen fürchten und hassen einander. Es gibt es kein einziges Zeichen der Fürsorglichkeit oder gar Zusammengehörigkeit zwischen ihnen.

Der Horror kommt zum Schluss
Schliesslich warten nicht verarmte Passanten vom Walk of Fame auf Sue, sondern das gut angezogene Publikum einer Neujahrsgala. Aber da sind die Dinge zwischen Sue und Elizabeth längst katastrophal aus dem Ruder gelaufen. Nun kommen diejenigen im Publikum auf ihre Rechnung, die Horrorfilme mögen. Die andern kneifen besser die Augen zu.

 

Links:
Demi Moore (*1962) ist im realen Leben ein gutes Beispiel dafür, wie der Schönheitswahn bei alternden Schauspielerinnen funktioniert, siehe hier.
Gnadenlose Selbstoptimierung ist schon seit längerer Zeit Thema von Regisseurin Coralie Fargeat, siehe hier.
Margaret Qualley kann tanzen – aber sie kann auch ernste Rollen, hier ein Beispiel.

 

Eine Antwort zu «Sie kritisieren den Schönheitswahn im Showbusiness»

  1. […] Horrorstreifen über den Schönheitswahn im Showbusiness mit Demi Moore. […]

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