Das Haus mit den roten Türen ist Josi J. Meiers ehemaliges Wohnhaus. (Bild: Frau Frogg)

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Die Politikerin Josi J. Meier und ihr Zuhause

Josi J. Meier war 1991/92 die erste Ständeratspräsidentin der Schweiz. An der Frauensession 1991 sagte sie: «Die Frau gehört ins Haus. Ins Gemeindehaus, ins Bundeshaus.»* Meier kämpfte dafür, dass Frauen ihren Platz in der Politik bekommen. Doch auch ihr privates Zuhause war ein ganz Besonderes.

Es lag in der Luzerner Altstadt, an einem idyllischen Plätzchen direkt am Reussufer, im Zöpfli. Das rot bemalte Gebäude mit der Nummer 3 heisst auch Ronca-Haus. Seit 2016 ist auf dem Platz auch ein blaues Strassenschild zu sehen. Darauf steht mit weisser Schrift: «Josi J. Meier-Platz». So ehrte Luzern die Feministin aus der CVP, die 2006 verstorben war. Nun hat das Plätzchen also zwei Namen, einen volkstümlichen und einen administrativen, und das passt, denn die blitzgescheite Juristin und Politikerin stand auch im Ruf, mit allen Leuten reden zu können.

Ihre Eltern stammten vom Land
Das lag wohl auch daran, dass die 1926 geborene Josefine Johanna Meier aus einfachen Verhältnissen stammte. Ihre Eltern kamen vom Land. Ihr Vater arbeitete im Grand Hotel National als Portier, später bei der Luzerner Kantonalbank als Abwart. Josi blieb Einzelkind, und so schafften ihre Eltern es, ihr ein Studium zu ermöglichen, das sie in Genf absolvierte. Sie war aber nicht nur Bücherwurm: Sie spielte Uni-Basketball und holte mit ihrer Mannschaft dreimal den Titel des Unimeisters – da habe sie unzählige Brillen geschlissen, erzählte sie der Luzerner Schriftstellerin Inge Sprenger Viol**. Und sie war im Kader des militärischen Frauenhilfsdienstes FHD.

Josi J. Meier als Ständeratspräsidentin 1991/92 (Quelle: Wikipedia)

Meier erlebte Diskriminierung der Frauen am eigenen Leib. Gerne wäre sie Richterin geworden, kam aber aufgrund ihres Geschlechts nicht zum Zug. Dass sie sich schon bei der ersten ersten Abstimmung 1959 für das Frauenstimmrecht auf Bundesebene einsetzte, hatte aber auch mit ihren Erfahrungen als Anwältin zu tun. Sie sah, dass Frauen nach Scheidungen oft mittellos dastanden, die Gesetze machten das möglich. Die Abstimmung von 1959 scheiterte mit fast 70 Prozent Neinstimmen. Erst im Februar 1971 sagten die Männer Ja.

Josi J. Meier wurde im Herbst 1971 Nationalrätin, zusammen mit zehn weiteren Frauen aus der verschiedenen Kantonen. 1983 bis 1995 war sie Ständerätin.

Der CVP-Frauenstamm
Anfangs sei Meier oft unterschätzt worden, erinnert sich Margrit Weiss, geboren 1936. Die ehemalige Gerichtsschreiberin und erste Amtsrichterin in Luzern hat entscheidende Anstösse für diesen Beitrag gegeben. So erinnert sie sich, dass einmal einer ihrer Cousins gesagt habe: «Diese Josi Meier mit ihrem dünnen Stimmchen hat auch das Wort verlangt, völlig daneben, sie wird es zu nichts bringen.» Die dünne Stimme hatte sich Meier bei einer Operation an der Schilddrüse 1971 zugezogen, bei der eines ihrer Stimmbänder verletzt worden war. Meier selbst gab Inge Sprenger Viol zu Protokoll, davor, beim FHD, habe sie auf 300 Meter Befehle erteilen können. Fortan aber brauchte sie zum Sprechen ein Mikrofon und habe lernen müssen, die Kunst der Rede bewusster einzusetzen. Margrit Weiss lernte Josi. J. Meier später über eine gemeinsame Freundin kennen. Diese nahm Teil am Frauenstamm, den Meier durchführte. Weiss: «Josi Meier wusste, dass Frauen zusammenstehen müssen, wenn sie etwas erreichen wollen. Deshalb führte sie einmal wöchentlich den Stamm durch. Die Teilnehmerinnen diskutierten über Politik, tauschten Erfahrungen aus und unterstützten Frauen im Wahlkampf.» Weiss ging aber selbst nicht hin: «Es war ein CVP-Stamm. Ich aber war liberal.»

Josi Meier hatte wenig Interesse an modischer Kleidung, das bemängelten sogar ihre Parteikollegen, man kann es bei Inge Sprenger Viol nachlesen. Auch ihr Zivilstand – sie war lebenslang ledig – diente gelegentlich als Angriffsfläche. Einmal, berichtet Margrit Weiss, habe ein Mann sie gefragt: «Fräulein Meier, wie würden Sie sprechen, wenn Sie Mutter und Hausfrau wären?» Da habe sie gesagt: «Lauter und länger.» Überhaupt habe sie Humor gehabt und gerne Anekdoten erzählt, auch, wenn die Pointe auf ihre Kosten ging. Etwa jene von dem Unbekannten, der sie vor ihrer Haustür aufgehalten habe. Sie habe sein Gesicht nicht einordnen können und sagte, wie man in einer solchen Situation auf Luzerndeutsch sagt: «Ech cha si ned häitue.» Der Mann soll geantwortet haben: «Macht nüt, ech ha s’Velo debii.»

Der ganz besondere Dachhimmel
Manchmal schaute sie wohl von der Haustür auch hinauf in den Dachgiebel. Dort hat sie Spuren hinterlassen. Im Dachhimmel ist eine Bemalung aus dem Jahre 1977 zu sehen. Auf der linken Seite erkennt man einen Zirkel, einen Hammer und ein Senkblei, die Embleme der Architektur. Diese Seite ist dem damaligen Besitzer des Hauses gewidmet, Paul Gassner. Ihm kaufte Josi Meier eine Wohnung im Gebäude ab und trug auch dazu bei, es herzurichten. Gassner war CVP-Grossrat, Architekt und Bühnenbildner. Wahrscheinlich hatte er Kontakt zum Kulissenmaler Karl Schätti, der das Werk ausgeführt hat.

Auf der rechten Seite des Bildes sieht man eine Waage, ein Buch, eine Friedenstaube und den Knauf eines Schwertes – die Embleme der Juristerei. Sie sind Josi J. Meier gewidmet sein, die bis zu ihrem Tod 2006 hier wohnte und, wie sie selber sagte, gerne den Ausblick aufs Wasser und die Berge genoss.

In dem Haus gibt es einen prächtigen Rokoko-Saal, den man heute auch mieten kann***. Josi J. Meier hielt dort gelegentlich Sitzungen ab. Einmal war auch Margrit Weiss dort, als Josi Meier ihr ein Amt übergab. Meier hatte 21 Jahre lang die Stiftung der vermögenden Elisabeth Bachmann Ambühl präsidiert. Diese ermöglicht Frauen in finanzieller Notlage, ihr Recht vor Gericht geltend zu machen, indem sie Anwalts- und Verfahrenskosten bezahlt. Margrit übernahm das Stiftungsratspräsidium von Josi Meier 2001.

Meiers Vermächtnis an künftige Generationen
Dass Josi Meier einer solchen Stiftung vorstand, war typisch für sie. Sie dachte sozial, und sie dachte für die nächste Generation. Sie nahm nie ein Verwaltungsratsmandat an und pflegte zu sagen: «Andere leisten sich eine Yacht oder ein Pferd. Ich leiste mir eine eigene Meinung, das ist etwa gleich teuer.» Als sie 2006 mit 80 Jahren starb, floss auch ihr eigenes Vermögen in eine Stiftung. Diese half Menschen in Not, die im Kanton Luzern wohnen oder Asyl suchen. Die Stiftung wurde 2020 aufgelöst, als das Stiftungsvermögen aufgebraucht war. Davon aber, dass sie viel dazu beigetragen hat, Frauen in die Häuser der Politik zu bringen, profitieren wir alle heute noch.

* Josi J. Meier hatte den Slogan von einem Plakat der jungen Luzerner Grafikerin Karin Willimann – dass Frauen in der Politik nicht so richtig vorwärtskamen, beschäftigte damals breite Kreise und führte 1991 auch zum ersten Frauenstreik

** Inge Sprenger Viol: «Drei Wege ins Bundeshaus – Elisabeth Blunschy, Josi J. Meier, Judith Stamm», 2003, Comenius Verlag AG, Luzern

*** Mehr dazu bei erlebnisessen.ch

 

Eine Antwort zu «Die Politikerin Josi J. Meier und ihr Zuhause»

  1. […] Kürzlich habe ich mich von der Geschichte dieser 2006 verstorbenen Politikerin beeindrucken lassen, die eine fortschrittliche Persönlichkeit hinter einem eher unscheinbaren Äusseren verbarg. Wer sie auch kennenlernen möchte, schaut hier nach. […]

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